Bekanntlich Leben Totgesagte länger und so wie es aussieht geht es dem Medium interaktiver Film ähnlich. Die Idee des interaktiven Films gibt es schon seit einigen Jahren und dank des Rückkanals, welcher das Internet bietet, konnte dieses Medium Ende der neunziger Jahre einem breiterem Publikum zur Verfügung gestellt werden. Aber der wirkliche Durchbruch blieb bis heute aus, man könnte den interaktiven Film eigentlich auch als Totgeburt bezeichnen, obwohl das doch meiner Meinung zu hart klingt. Hauptsächlich lag es bestimmt an der Lean-Back Mentalität der Zuschauer, welche noch heute eine Hauptcharakteristik im Medium Film und Fernseh ist. Durch die immer stärker werdende Macht der interaktiven Medien (Internet und Games) wird sich dies Userverhalten auf die Dauer sicherlich mehr zu Gunsten der Interaktion verändern, und vielleicht gibt genau diese neue Entwicklung in der Mediennutzung dem interaktiven Film wieder ein Aufwind. Einen ersten Anfang hat YouTube mit der Einführung des Vermerk-Features (Video Annotation Feature) gemacht, welches von einigen Interactive Media Designer schon sehr schön für interaktive Filme eingesetzt wurde. Dennoch denke ich das diese Entwicklung noch nicht ausreicht, denn dem User muss selbst überlassen werden, wie sehr er sich interaktiv am Film beteiligt, so dass kein Überforderungs und auch kein Unterforderungsgefühl beim User auftritt. Aus diesem Grund haben wir (das erste Team am Klickfilm Projekt) versucht eine Story Engine zu entwickeln, die eine logische, sinnvolle und dramaturgische korrekte Erzählstruktur simuliert. Die ersten zwei Punkte konnten wir anhand von Tagging Techniken relativ gut umsetzen, nur die dramaturgischen Simulation ist um einiges komplexer und wurde am Ende von uns aussen vorgelassen. Dennoch war ich mit den Ergebnissen sehr zufrieden, weil mir dieses Projekt gezeigt hat, dass man einen interaktiven Film mit einem dynamischen Interaktionsgrad realisieren kann.
Mittlerweile ist seitdem einige Zeit (ca. 2-3 Jahre) vergangen. Aber nun gibt es einige wirklich hilfreiche Entwicklungen, die meiner Meinung nach den interaktiven Film zum neuen Auferstehen helfen können. Dazu gehören die positive Weiterentwicklung von StoryEngines, die zum Teil von der Game Industrie erstellt werden, die andere Entwicklung kommt aus der immer weiter voranschreitenen Disziplin der Bildverarbeitung (Image Processing).
Die Story Engine kümmert sich bei dem interaktiven Film fortgehend um eine logische und dramaturgische Narration (Erzählstruktur). Sie muss auf User Interaktionen reagieren können und eine passende Antwort bzw. eine passende Fortführung der Geschichte geben. Wenn keine Interaktion von Userseite geschieht oder wenn der User eine nicht passenden Befehl gibt, darf die Narration (bzw. der Geschichtsfluss) nicht unterbrochen werden. Die StoryEngine muss einen passenden weg dazu finden die Geschichte weiter fort zuführen. Einige interessante Informationen zu solchen Story Engines kann man hier finden:
Von Seiten der Bildverarbeitung werden immer besser werdende Objekterkennungs- und Trackingverfahren für Videobilder entwickelt. Diese Algorithmen könnte man sehr gut für die Verlinkung und Visualisierung von Interaktionsmöglickeiten im Videobild nutzen. Denn in unserem Projekt mussten wir einzelne klickbare Bereiche (Hotareas) im Videobild sehr mühevoll maskieren und im nach hinein Tracken. Diese Arbeit stand in keinen sinnvollen Aufwand/Nutzen Verhältnis, jedoch machen mir diese neuen Verfahren sehr gute Hoffnung einem Video leichter interaktive Elemente hinzu zufügen.
Ich hoffe doch sehr, dass sich diese zwei sehr unterschiedlichen Disziplinen zusammefinden und noch ein paar gute Filmleute ins Boot holen, und schon könnte aus dieser Mischung ein richtig guter interaktiver Film entstehen, der dazu nebenher den so sehr herbei gewünschten Traum von der perfekten Medienkonvergenz erreicht 😉
In der PAGE Ausgabe 12.2006 las ich erstmals über sozialkritische Games. Eins bis zwei Wochen später kam dann noch ein Bericht im ARTE Jugendmagazine Tracks dazu. Daher scheint sich die Bewegung sozialkritischer Spiele langsam als Underground Bewegung zu etablieren. Besonders interessant finde ich dabei, wie sich die Game Designer die Interaktivität zu Nutzen machen. Sie bringen den User zielgerichtet dazu eigene Assoziationen zu knüpfen, die sehr den Intentionen (Absichten) der Game Designer entsprechen. Der User nimmt durch die eigens erstellten Assoziationen (bzw. denkt der User das) die Geschichte mit ihren Intentionen viel bewusster wahr und speichert diese auch viel besser als z.B. Videoinhalte in seinem Gehirn ab. Diesen Vorteil der Interaktion versuchen auch Edutainment Spiele, wie z.B. Last exit Flucht von der UNO zu erreichen. An dieser Entwicklung der Interaktivität kann man beobachten, dass wir Menschen immer mehr die Semantik der Interaktivität verstehen und diese immer mehr für unsere Intentionsverbreitung nutzen. Diese Entwicklung hat Ähnlickeiten mit der Entwicklung des Filmes. Früher hat man einfache Filme gezeigt (Dampflok fährt durch die Landschaft), dann hat man den Filmschnitt gefunden (bei der Interaktivität ist das die Interaktion mit Gegenständen). Später hat man verstanden, wie man mit Hilfe des Filmschnitt den Zuschauer in bestimmte Denkweisen einführen kann (soweit sind wir jetzt langsam bei der Interaktivität - Stichwort: Interactive Storytelling). Natürlich bringt das immer besser werdende Verständnis für Interaktivität auch Gefahren, wie zum Beispiel für Propaganda Zwecke missbraucht zu werden. Aber jetzt genug von meiner Seite darüber, schaut euch selbst mal im Netz um und bildet euere eigene Meinung zu diesem Thema.
Eine kleine Linksammlung zu den diversen Games gibt es im PAGE Weblog unter dem Thema PlayMobilisierung (man muss ein bissl runterscrollen).
Eine kleine Spielevorstellung
In dem Spiel McDonalds Videogame muss der User die Geschäftsführung des McDonalds Konzern übernehmen. Um den Erfolg des Unternehmens zu sichern, kann man die Nahrungsproduktion mit Hormonen (bei der Fleischproduktion) strecken. Oder man düngt sein Getreide bis zum Umfallen. Aber auch Korruption bei den Ernährungsberater ist ein beliebtes Mittel.
Besonders gut gefällt mir die Idee von dem Spiel September 12th. In diesem Spiel muss man versuchen Terroristen abzuschiessen, leider misslingt dieses Vorhaben immer wieder. Mit dem Ergebnis, dass nur mehr Zivilisten getötet werden. Die von den Toten geschockte Bevölkerung greift dadurch immer mehr zu Waffen und das Chaos ist perfekt.
Mit dem Thema Sicherheit am Flughafen befasst sich das Spiel Airport Security. Der Spieler verkörpert einen Security Angestellten, der die immer schärfer werdenden Sicherheitsbedingungen umsetzen muss.
Chris Crawford war ein Game Designer der ersten Stunden und gründete die Computer Games Developer Conference. Seit 1992 zog er sich aus der Game Industrie zurück und beschäftigt sich seitdem mit dem Thema Interactive Storytelling.
Sein Buch Chris Crawford on Interactive Storytelling erschien im Jahre 2004 und ist in 5 Hauptkategorien unterteilt:
1. Einführung: Geschichte und Motivation von Interactive Storytelling. Gibt einen Unwissenden in dieser Thematik eine sehr gute Basis um das Prinzip des Interactive Storytelling zu verstehen.
2. Styles of Thinking: Crawford ist der Meinung, dass die Ereignisse in einer Story abstrahiert werden müssen und dass man auf die Verben (beschreibt die einzelnen Handlungen in der Story) in der Story besonders achten soll. Es taucht immer wieder der Satz "Thinking in Verbs" auf.
3. Strategies of Interactive Storytelling befasst sich mit der Bedeutung (Semantic) der Story-Ereignisse und wie die Game Industrie uns bisher in Sachen Interactive Storytelling an der Nase herum geführt hat.
4. Core Technologies widmet sich den Thema der Datenverwaltung, welche Informationen werden benötigt (Charakter Beschreibung, Umgebungsbeschreibung usw.) um eine semantisch korrekte Geschichte produzieren zu können. Wie wird Spannung erzeugt und kontrolliert (Stichwort: Drama Manager) und noch vieles mehr. Zu einigen Punkten macht Crawford jedoch nur Vorschläge, denn die goldene Lösung hat er auch nicht parat.
5. Applications: In diesem letzten Kapitel stellt Crawford seine StoryEngine (The Erasmatron) vor, sowie einige
Forschungsergebnisse im Bereich Interactive Storytelling. Dieses Kapitel gibt den Leser auf jeden Fall einen guten Überlick, wie es im Moment mit der Misson Interactive Storytelling aussieht und wie es in Zukungt aussehen könnte.
Fazit: Das Buch ist sehr empfehlenswert und hilfreich für die Entwicklung einer eigenen Story-Engine, da einige Ansätze wirklich sehr gut sind (z.B. wie man mit dem Dilema der Interaktivität und den Plot Points umgehen könnte). Nur leider vergreift sich der gute Crawford des öfteren mal im Ton und greift immer wieder die Game Entwickler an und ist auch von seinen Ansichten sehr sehr überzeugt. Also das Buch bitte mit einem kritischen Blick lesen. Das englische Sprachniveau ist für jeden mit einem Wörterbuch bewaffnet (oder leo halt) zu schaffen. Ist alles sehr umgangssprachlich und verständlich geschrieben.
In der innoVisions (Ein Zukunfstmagazin vom Fraunhofer Institut) bin ich auf einen interessanten Artikel gestossen.
Das ZGDV aus Darmstadt hat einen Story-Editor (Autorenumgebung) für Interactive Storytelling entwickelt. Das System basiert auf Muster-Templates. Die Geschichten werden dann im ICML (INSCAPE Communication Markup Language) Beschreibungsformat gespeichert. Das Tolle daran ist, das die Story in mehreren Plattformen wie z.B. Flash, Blender usw. abgespielt werden kann. Das ist durch die PlugIn-Programmierung ermöglicht worden, so muss man auch nicht seine Entwicklungsplattform verlassen. Sehr guter Ansatz find dich.
Die Macher vom Story-Editor
Den Medienteil der aktuelle Ausgabe von InnoVisions kann ich euch auch sehr empfehlen. Ein paar Infos zur der Zeischrift
InnoVisions
-- UPDATE 27.11.2006 --
inscapers Projektseite